Puff, das Leben zerfetzt (Judith Leister, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.2007)


Kapcsolódó könyv:
Das Buch Kalligaro - Suhrkamp, 2007

Puff, das Leben zerfetzt

György Konrád schreibt seine Anti-Memoiren fort

Mögen andere im Alter an der eigenen Legende weben, sich in Memoirenbänden als souveräne Architekten ihres Schicksals entwerfen - der ungarisch-jüdische Schriftsteller György Konrád tut in seinem autobiographischen "Buch Kalligaro" das Gegenteil. "Dieses Buch handelt von Abwesenheit, davon, all das Zerstreutwerden, all das Sichsammeln anzunehmen." In einer Revue aus mehr als zweihundert Prosaskizzen ohne geordnete Chronologie reflektiert Konrád sein Leben und bekennt, dass er seine Figur "Kalligaro" genannt hat, weil ihm "der ständige Gebrauch des Wortes ,Ich' langweilig" sei. Kalligaro sieht Konrád also zum Verwechseln ähnlich; er ist ein Doppelgänger par excellence, eine Projektion innerer Zerrissenheit.

"Kalligaro" ist das dritte Buch in Folge, in dem Konrád, Jahrgang 1933, rechenschaft über sein Leben ablegt. "Glück" (deutsch 2003) und "Sonnenfinsternis auf dem Berg" (deutsch 2005) reichen vom Zweiten Weltkrieg bis zur Sonnenfinsternis von 1999, mit der Konrád ein von menschlichen Katastrophen verdunkeltes Jahrhundert symbolhaft zu Ende gehen lässt. "Das Buch Kalligaro" liefert eher Variationen dieser Werke, als dass es inhaltlich etwas ganz Neues vorstellt. Politisches und Privates wechseln sich darin ab.

Markanter als seine Vorgänger hebt dieses Buch die Differenz zwischen Privatmensch und öffentlicher Person hervor. Schon in einem frühen Essay hatte Konrád es als Aufgabe des Schriftstellers bezeichnet, an die Spannung zwischen "Gesicht und Maske" eines jeden Menschen "zu erinnern": Denn "unsere Maske ist begrenzt, unser Gesicht unfassbar" ;. Das Fazit ist ernüchternd: "In den achtziger Jahren hatte er allmählich das Gefühl, dass die Dissidentenkluft anfing, dem reichverzierten ungarischen Hirtenmantel", einer "Uniform" gar, "zu ähneln". Oder: "In Berlin hat Kalligaro sechs Jahre lang den Präsidenten der Akademie der Künste gespielt."

Den Gegenpol zur öffentlichen Existenz bilden der Garten, das Private, die Familie. In diesen Abschnitten gibt sich Konrád als zufriedener Privatier, der das Leben mit stoischer Gelassenheit hinnimmt und zugleich seine Fülle preist. Die Perspektive der Gefährdung bleibt: "Das Wichtigste können sie ihm nicht wegnehmen." Die durch Totalitarismen eingefressenen Ängste sind aktuell, auch heute ist Konrád in Ungarn antisemitischen Pöbeleien ausgesetzt.

Insgesamt besticht "Das Buch Kalligaro" durch Ehrlichkeit. Mit einem gewissen Mutwillen ramponiert Konrád ein idealisiertes Bild vom Dissidententum und sägt an den Podien und Podesten herum, auf denen er als Repräsentant saß. Manches Privatissimum und manch larmoyantes Detail hätte es allerdings nicht gebraucht. Doch ist es wohl die Absicht dieser Anti-Memoiren, die sich nach außen wie gegen die Vielheit der eigenen Person abgrenzen,jeglichen Konsens zu unterlaufen: "Stets wusste er,replicas rolex womit er die konformistische Mehrheit gegen sich aufbringen konnte. Fast schon bringt man ihm Wohlwollen entgegen, und dann, puff, zerfetzt er es."

JUDITH LEISTER


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